CABIN DIARY – DAY 365

365

"Es ging nie um Romantik, um Liebe – nicht mal um Mut..."

Ich weiß noch genau was ich gedacht habe, kurz vor Mpumalanga, noch mehr als 300 Meilen zu fahren, schon 1500 Kilometer von Kapstadt entfernt, was ich gefühlt habe, während die Graslandschaft flimmernd vor Sonne und Geschwindigkeit an mir vorbeiflog.

Was auch immer jetzt passiert, was auch immer jetzt folgt, wie auch immer es endet – es ist eine Erinnerung, eine Geschichte, eine die mich vielleicht wachsen lässt, eine, die mich vielleicht stärker macht, eine die mich vielleicht herausfordert, eine die mich dankbar machen könnte, auf jeden Fall eine, die mich reicher macht. Du denkst nie an die Dinge zurück, die du nicht gemacht hast, die besten, die prägendsten Momente sind nicht die verpassten, sondern die mutigen, die gelebten.

Ich hatte eine unruhige Nacht hinter mir. Als er neben mir eingeschlafen war, hatte ich noch lange wach gelegen, hatte an die fremde Decke des kleinen Gästehauses gestarrt, in dem wir ein paar Stunden Schlaf finden wollten, bevor wir im Morgengrauen weiterfuhren.Ich hatte mich verloren gefühlt, in dieser Entscheidung, die noch so frisch war, hatte ihn umarmen, mich festhalten wollen, aber es war die Nähe, die sich längst um uns ausgebreitet, die mich davon abhielt, mein Herz nur noch mehr klopfen ließ. Während die Welt dort draußen aus den Fugen geriet, wankte ich mit ihr.

Wenn ich die Augen heute zumache, ist er sofort wieder da, dieser lange Moment der Unsicherheit, erinnert mich daran, das mein größter Sprung nicht der war, in den Pick-Up zu steigen und an einen vollkommen unbekannten Ort zu reisen – sondern neben ihm.
Nicht mit einem Fremden, das wäre leichter gewesen, sondern mit dem Mann, der mir erst vor ein paar Tagen gesagt hatte, dass er wohlmöglich gerade dabei war sich in mich zu verlieben.

"Es ist die Ruhe..."

Aber da ist noch etwas, noch viel mehr, wenn ich nur noch ein bisschen länger mit geschlossenen Augen zurückfühle.
Da ist das leise Quietschen der Holzdielen, wenn ich am frühen Morgen über sie gehe, den Gasherd anzünde, den Kaffee mahle, ihn ziehen lasse, mit nackten Füßen auf dem großen Deck stehe, in die Weite schaue, während die ersten Sonnenstrahlen über dem See die Dämmerung aufreißen. Da ist der Geruch von warmer Erde, von feuchtem Gras, von dir.
Da ist das Rascheln der Halme, da leise Schwappen der Wellen, die der Wind ans Ufer schubst.

Und da ist diese Ruhe, die das alles hier und mich durchdringt, verlangsamt, solange, bis ich ankommen kann, manchmal in mir selbst, manchmal neben dir, immer wieder im Moment, genau da, wo ich gerade hingehöre, wo ich immer sein wollte.
Ich habe sie nie wieder gehen lassen, nicht einmal als ich vor genau einem Jahr gehen musste.
Ich trage sie in mir, ich habe sie wachsen lassen.

Als ich am 08.04.2020 deine Hand hielt, da wusste ich nicht, wo wir landen würden, aber ich hatte die Ruhe es herauszufinden, über all die Zeit, über die all die Monate, die Zweifel, das Zögern, die vielen Kapitel, durch die wir uns Schritt für Schritt, jeder mit seinen eigenen zwei Beinen, hunderten Emotionen und Gedanken, bewegt haben.
Und mit jeder weiteren Seite, die ich schließlich schrieb, mit jeder Zeile, die meine Gefühle Woche für Woche konservieren sollte, begriff ich, dass es nie noch mehr Mut oder noch mehr Kraft oder noch mehr Stärke war, die ich gesucht hatte – sondern Ruhe. Sie ist es, die mich verändert hat, sie ist es, die tief in mir zu suchen, zu finden, zu heilen begann.

Was auch immer jetzt folgt, wie auch immer die Dinge fallen –  sie bleibt. Und mit ihr meine Dankbarkeit. Für dich, für deine Familie, die mir, während ich noch nervös im Flur herumstand, ein Glas Wein in die Hand und einen Platz in ihrem Zuhause gab, die mich mit offenen Armen empfangen hat – für diese besondere Zeit, die so viele meiner Perspektiven und damit auch mich selbst verändert hat.

Das Cabin Diary ist ein kostenloser Inhalt auf www.linamallon.de

Ich möchte den Blog auch in Zukunft genau so offen und ohne paywalls gestalten, um auch weiterhin dem Grundgedanken zu entsprechen, mit dem ich ihn 2011 gegründet habe. 

Sollten euch dieser Beitrag, das Diary oder generell meine Inhalte gut gefallen, euch inspirieren, informieren oder unterhalten – habt ihr aber ab jetzt die Möglichkeit eine kleine Unterstützung für meine Arbeit dazulassen. Wie viel euch dieser Beitrag oder das Diary wert ist, bleibt dabei ganz euch überlassen. 

Egal, ob ihr den Button klickt, einen Kommentar hinterlasst oder heute nur gerne gelesen habt, was ich aufgeschrieben habe: vielen lieben Dank für euren Support, von Herzen!

Lina 

anything to say?

Comments

  • Liebe Lina,

    wie schön, wieder auf deinem Blog zu sein. Es ist immer schön, hier etwas zu lesen- viel, viel schöner als jede Insta-Caption.

    Ich habe zweit.nah gehört und erst danach schnell.liebig gelesen…danke für die famosen Geschichten und dass du sie mit der Welt teilst! <3

    Falls dir danach ist, wäre es schön mal wieder monthly favourites zu lesen. Irgendwie fehlen mir diese Sammlungen von dir, und es könnte auch dein neuestes Bird-Highlight oder Pandemie-Meme sein 😀

  • Es ist immer wieder ein Fest von dir zu lesen. Auch das, was du zur Zeit auf Instagram teilst, ist sososo überragend. Danke für deine Arbeit, deine Zeit und deine Mühe. ❤

  • Ich liebe deine Cabin Kapitel und alles drum herum. Danke Lina! Beim Lesen hatte ich Gänsehaut weil man sich so gut in diese Momente/Situationen einfühlen kann. Es ist einfach sehr sehr schön zu lesen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Name