#TWENTYSOMETHING MOMENTAUFNAHMEN: IMMERZU DAZWISCHEN

Rohe, unfertige, einfach ausgesprochene, wenig zer- oder fertig gedachte Momente habe ich hier ewig nicht geteilt, mein Tagebuch schon lange nicht mehr so persönlich geöffnet. Früher dafür ständig. Und jetzt mal wieder. Bebildert mit einer Strecke die Magdalena von mir schoss. Ebenso echt, ebenso rausgerissen...

1

"Vielleicht sollte ich einfach mal wieder dort Zuhause sein, wo ich mich wohl fühle."

Ich habe die Augen geschlossen und hinter einer Sonnenbrille versteckt. Und in ihrem Schatten weine ich, nur ein bisschen, so dass es keiner mitbekommen könnte.

Ich bin nicht traurig. Ich bin nicht wütend. Ich bin nicht enttäuscht. Ich bin fertig. Vielleicht. Obwohl ich vielleicht nur sage, damit mir der Gedanke weniger Angst macht. Und Angst hab ich gerade eine Menge. Ich glaube ich bin fertig. Mit Hamburg. Wie ich mich in dieser Stadt fühle. Definitiv wieder fühlen werde. Gebunden an Menschen, die die für mich eine Entscheidung und für die ich eine wiederkehrende Laune bin. Gebunden an meine wunderschöne Wohnung – aber auch an all die Menschen, die hier nicht mehr ein und ausgehen. Ich hätte so gern ein Zuhause in Hamburg. Ich vermisse selbst hier in Kapstadt das, was ich eigentlich gar nicht habe – so sehr. Wenn ich in 4 Wochen ins Flugzeug steige, dann komme ich nicht nach Hause. Ich komme nur zurück. Dafür habt ihr gesorgt. Und das wird mir gerade so bitterklar, dass es mir die Gänsehaut in den Nacken treibt. Ich hab Angst vor allem was kommt. Weil ich so gern angekommen wäre. Weil ich keine Abschiede mehr ertragen kann, keine Trennungen mehr durchmachen will, kein Heilen mehr abwarten könnte. Aber weil es trotzdem so, so dringend Zeit dafür wird.

Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mit 29 Jahren noch einmal in eine Sackgasse manövrieren würde. Niemals. Ich hätte nie vermutet, dass ich noch einmal so beschissene Entscheidungen treffen würde. Die Vorstellung es schon wieder falsch gemacht zu haben, die ließ mich verzweifeln. Die Vorstellung zu verlieren, was ich für so echt, so real hielt, ließ mich brechen. Mich wie ein elendiger Versager fühlen, der es nicht besser verdient hätte. Ich hab nicht mehr gesehen, dass bei Weitem nicht alles mein Fehler war. Ich hab nicht mal mehr annehmen können, dass ich Dinge richtig machte. Ich lieb dich Hamburg. Ich wünscht du wärst der Ort, an dem ich ankomme. Aber vielleicht kannst du das nicht mehr sein. Vielleicht fühl ich mich nicht mehr wohl mit dir, obwohl ich so sehr will, dass es anders wäre.

2

Ich bin müde von der Nacht in der nur du geschlafen hast. Müde davon dich zuzudecken, dich zu umarmen, festzuhalten, auf dich aufzupassen, ohne dass du danach fragen würdest. Ich weiß, dass du es gern hast, ich weiß, dass ich es gern mache. Es ist nah mit dir, es ist voller Liebe. Und trotzdem vermiss ich was. Habe aber immer lieber dich, als nur Sehnsucht. Es ist nie schlecht. Aber es ist auch nie ganz gut. Es ist nie losgelöst. Es ist immer nur ein fast. Fast ein wir, aber nicht wir beide. Jetzt schon wieder nur noch ich, die im Flur steht, die Tür hinter dir zumacht und nicht genau weiß, ob das schon alles ist, ob da immer was fehlt oder ob wir nur sehen müssten, was wir finden könnten. 

"Ich will so sehr, dass du es bist, dass du es nicht einfach sein kannst. Vielleicht willst du aber auch einfach nicht genug von dem, was ich alles bin."

 

3

Was machen wir hier?
Was willst du mit mir?
Ist es ein Bleiben, wird das wieder ein Gehen? Ein Schweigen? Ein neues Vergessen, spätes Erinnern? 

Ich gehe nicht ran. Ich warte. Ich träume vielleicht, bin wach aber nicht ganz da. Es ist 04:00 Uhr als du anrufst, 04:22 Uhr als du es zum zweiten Mal versuchst. Als ich sicher bin, dass es kein Versehen ist, dass ich deine Stimme gerade hören könnte, auch wenn hier alles stumm bleibt. Wie gehts dir, mir ganz gut. Oder wie gehts dir, mir nicht gut. 

Neben mir bewegt sich die Bettdecke und ich mich keinen Zentimeter. Monate habe ich darauf gewartet. Monate habe ich deinen Geist gefüttert. Habe Nachrichten ins Leere geschrieben, Worte auf Papier gebracht und nicht abgeschickt, dann doch abgeschickt, ohne zu wissen, ob sie dich je erreichen, selbst wenn du sie lesen solltest. Du bist nie gegangen und warst trotzdem nie da. Nur noch eine Erinnerung, die irgendwie so fühlbar nah und trotzdem schon so lange her ist, dass ich sie mir nie ganz glauben kann. 
Und jetzt, ganz kurz, endlich unerwartet, kommst du zurück. Aber nur ein bisschen. Und ich weiß genau, wenn ich nach dir greife, verschwindest du wieder .. 

Dass das alles ist, was du gerade sein kannst. Das ist wahr. Trotzdem weniger als eine Antwort. Und mehr als nur irgendeine Frage. 

4

Was suchst du? Eine Herausforderung? Oder nur ein leichtes Ergebnis? 

Willst du wirklich nicht nach Hause? Oder willst du einfach nur nicht anfangen? Anfangen aufzuräumen, es in die Hand zu nehmen und bin zu den Knien in deinen eigenen Lösungen zu stecken, keine neuen zu erdenken sondern die alten endlich aus dem Haus zu schaffen? Warum willst du nicht in dieses Flugzeug? Weil er hier so schön oder einfach nur ordentlicher ist? Jeder sucht eine Herausforderung, du hast deine, aber nimmst du sie auch noch an, wenn sie kein schnelles Ergebnis verspricht? Sondern Arbeit, Angst und Einbußen? Vielleicht hast du einfach nur zu lange geglaubt dass Gut ist, was sich einfach anfühlt und vergessen, dass dir das Beste erst einmal Angst machen muss, bevor es dich belohnt. Vielleicht bist du einfach so lange Glücklich auf der 4 gewesen, dass du Genüsgamkeit mit Zufriedenheit verwechselst und Schwindel. Höhe und Verlustangst wieder völlig neu bezwingen lernen musst. 

Kann es sein, dass du faul mit deinem eigenen Glück geworden bist, lieber Ausreden für dein Nichtstun erfindest, als zu tun, was nötig ist, um endlich voranzukommen? Ich frage dich das nicht, weil ich dir weh tun will. nur weil ich sehe wie du schlitterst, wie du festhängst. Und genau das wolltest du doch nicht mehr, als du vor 12 Wochen dein Leben eingepackt hast. Komm nach Hause, lass ein bisschen Vertrauen hier, Glauben und nimm den Rest mit – bis du wiederkommst. 

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Comments

  • Ohne Scheiß, Lina, das ist perfekt. Ein Artefakt, ein Fragment, so echt, so nah, dass man das Gefühl hat, die Gefühle und Gedanken greifen zu können, nur um dann zu merken, dass sich die Hand leer wieder schließt.
    Riesiges Kompliment an dich als Autorin – und an Magdalena für die wunderschöne Bilderstrecke.

    xoxo,
    Isabelle von https://gintonictogo.wordpress.com

  • Danke! Genau solche Beiträge machen dich aus! Ich bin so dankbar durch deine Worte und Bilder Gefühle zu erfahren, zu durchleben, einfach Stimmungen wahrzunehmen. Was auch immer es ist, ich kann es nicht beschreiben…Aber ohne creppy klingeln zu wollen, es fühlt sich an, als würden deine Beiträge direkt die Seele ansprechen. Wahnsinn! Seltsam, aber wahnsinn. Also: Danke & bitte hör nie nie auf damit.

  • Ha, liebe Lina . Das was du gerade schreibst über nicht zuhause sein / ein Zuhause haben kenn ich nur allzu gut . Genau dieses Gefühl hatte ich bzw habe ich seitdem ich in New York gelebt habe . Keine Stadt schafft es annähernd, mich zuhause zu fühlen wie es NYC tut. 15 Jahre lang kämpfe ich schon mit diesem Gefühl und war überrascht , was der Trip nach Kapstadt mit mir gemacht hat. Da kam das Gefühl von ankommen auf , dass ich sonst nur in New York habe. Mein erstes Kommentar auf deinem Blog . Aber dieses Thema ist so groß in meinem Leben. Da wollte ich melne Gedanken mit dir teilen . Falls du Lust hast was trinken zu gehen , wenn du wieder in Hamburg bist, sag gern Bescheid.

    Toll geschrieben ??

    Liebe Grüße ,
    Sabine !!!

  • Mit diesen rohen Gedanken triffst du mal wieder voll ins Herz. Du hast ein großes Talent Gefühle, Gedanken und Stimmungen zu transportieren und so viel bei dir unbekannten Menschen auszulösen. Danke für das, was du immer wieder in mir auslöst.

  • Wow! Lina du kannst so unfassbar schön schreiben. Und dieser Text ist so gut, so hart authentisch und einfach wunderschön und so gut geschrieben. Toll auf den Punkt gebracht!
    viele liebe Grüße

  • Großartiger Beitrag, liebe Lina!
    Seit dem Ende meiner Schulzeit bin ich nur wenige Monate bis hin zu 2 Jahren an einem Ort gewesen und ich möchte einfach ein Zuhause haben und mein Leben leben. Es war immer eine tolle Zeit und ich war immer glücklich das machen zu können was ich wollte. Es war eben nie schlecht, aber auch nie richtig gut.

    Liebste Grüße
    Isabel von isabelciel.com

  • Großartig! Du schreibst aus deiner Seele direkt in mein eigenes verzwicktes Gedankenkonstrukt… Ich wünsche dir vom Herzen dass du ankommst. Vielleicht versuchst du es nochmal am anderen Ende der Welt. Zu oft machen wir uns anhängig von anderen. Lassen uns von ihren Stimmungen mit ziehen. Bewusst oder unbewusst. Thailand hat mir was das angeht soviel gegeben. Einfach mal für sich sein. Alleine ohne WLAN. Ein Retreat, ein ausgeschaltetes Handy, keine Emails keine Beeinflussung der eigenen Gedanken und Gefühle durch Außen kann Wunder bewirken. Tipps und Austausch mit anderen sind wichtig keine Frage aber sie hinterlassen immer eine Spur des anderen mit dem du dich ausstauscht und verhindern dass man mal zu 100% auf sich und seine Gefühle, Herz und Verstand hört.

  • Liebe Lina, auch ich bin noch lange nicht angekommen. Dieses Gefühl hatte ich schon, an mehreren Orten…aber jetzt, dieses Jahr, handle ich endlich danach. We have to go for it. Hab das Gefühl, das sind wir uns schuldig.

  • Wow Lina, so schön geschrieben!
    Jeder der Texte geht unter die Haut, lässt einen mitfühlen, aber nicht zu intensiv um doch noch deine Privatsphäre zu wahren. Danke, dass du diese Emotionen mit uns teilst in so einer rohen und ausdrucksstarken Art!
    Ich wünsche dir, dass sich alle Fragezeichen in ein Ausrufezeichen verwandeln oder, wenn es sein muss, eben auch in einen Punkt. Dass du ankommst und glücklich wirst oder bleibst, in jederlei Hinsicht!

  • Das ist so wunderschön, so ehrlich, so schmerzhaft, einfach echt… Ich habe schon lange nicht mehr so etwas bewegendes gelesen, du hast einfach ein Riesen Talent dafür, Gedanken und Dinge in Worte zu fassen!

  • Liebe Lina,

    hör bitte nicht auf , deine Gedanken so wundervoll in Worte zu verpacken;) ich kann diese Gefühl gerade derzeit gut verstehen, denn auch ich steck ein einer Sackgasse und fühle mich zwischen Berlin und Island hin und hergerissen. Es ist so wahnsinnig schwer, wenn deine Seele endlich ankommen will, aber sich das Puzzle (erstmal) noch nicht fügen will.

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