#TWENTYSOMETHING COLUMN: (HIN)GESCHMISSEN UM ZU FÜHLEN

„Willst du auch?“, sie geben die kreisrunde Schale um den Tisch, als sie mich erreicht schüttle ich den Kopf. „Nein danke.

Nein danke. Ich meine das nicht schüchtern, nicht zurückhaltend, so wie jemand, der eigentlich Lust hätte ein paar Chips zu nehmen, aber Angst sich vor fremden Menschen mit Gucamole zu bekleckern, ich bin zwar neu hier, aber nicht so fremd, dass ich am mir zugeteilten Glas nur nippen würde und zu viel Scheu hätte, um nach dem Weg zur Toilette zu fragen. Es gibt ja Leute, die teilweise 120 Minuten darauf warten, dass irgendjemand endlich aufs Klo geht, um ihnen selbst den Weg zu erleichtern. Aber so ist das hier nicht.

Die anderen bedienen sich, irgendwer schenkt nebenbei Wein nach. Es ist ein einfacher Samstagabend, nur ein paar Bekannte, zusammengewürfelte Freunde die jemanden mitbringen, ein großer Esstisch, die WG kommt zusammen, irgendjemand hat gerade Tonic in den Kühlschrank geräumt und außerdem sammeln wir für die geteilten Pizzen, 5€ jeder, dann passt das!

Im Hintergrund läuft ein Indie-Album von 2006. Wir haben keine besonderen Pläne, nicht einmal wirklich besondere Gespräche. Nichts an diesem Abend wäre jetzt absolut nennenswert, außer vielleicht, dass es weder Erdnüsse noch Schokobons waren, die die Gastgeberin da anbot. Sondern Koks. Und dass es außer mir jeder nahm.

Niemand versteckt es, niemandem ist es unangenehm, niemand will verheimlichen, niemand bittet mich mein Handy wegzulegen. So kenne ich das nämlich noch von früher. Bitte keine Bilder, bitte alles Handys aus. Logisch warum. Im Moloch verbieten sie die Smartphonenutzung ja auch nicht, weil das individuelle Interiordesign so schätzenswert wäre und jeder Post zu viel über Look und Lage verraten könnte.

Drogen zu nehmen, zu koksen, zu schmeißen und das Gesicht über den komfortabel flächigen Spiegel zu schieben, das ist nicht nur hier in dieser Runde. sondern insgesamt so unüberraschend, so völlig wahllos und egal geworden, dass mir mittlerweile der Schock abhanden gekommen ist, wenn ich mit ihnen konfrontiert werde, wenn mal wieder irgendein Kollege spät nach Sonnenuntergang mit beseeltem Gesichtsausdruck aus der bedrängten Gemeinschaftsküche im Co-Working-Space kommt oder ein paar Influencer auf dem Damenklo das iPhone zum Spiegel machen, ohne dass es um direkte Selbstdarstellung ginge. Aber die Normalität an diesem Esstisch, der Stuck an der Decke, das Hundekörbchen neben dem Familiensofa, der Kiri-Käse im Smeg-Kühlschrank und die Runde guter Freunde, die sich hier Knoblauchsauce und Kokain teilt und mich neben bei nach meinem Job und Beziehungsstatus fragt, karikiert für mich jedes Bild, das ich vom Hamburger Drogenkonsum habe, der bei Matte anfängt und im PAL aufhört, ad absurdum.

„Nimmst du kein Koks?“, fragt sie mich.
„Nein“
„Nur Koks nicht oder gar keine Drogen? Wir haben auch noch anderes Zeug hier“
„Gar keine.“
„Ach krass. Warum nicht?“

Warum nicht. Warum nehme ich keine Drogen. Warum ist das eine Frage. Warum fühlt sie sich für dich so selbstverständlich an. Und warum fühlt es sich für mich so fehl am Platz an, dich zu fragen, warum du welche nimmst?

Ich weiß, dass ich die Diskussion um den Drogenkonsum nur verlieren werde. Ich habe sie in der letzten Woche erst auf einem befreundeten Balkon dieser WG geführt. Detoxer, Ehebrecher und Kokser (überhaupt Menschen die auf Drogen stehen), mögen für völlig unterschiedliche Werte kämpfen, aber sie alle tun es auf die gleiche, emotionale Weise. Der Mensch, der Drogen verteidigen will, wird dir aus seiner Lesezeichenleiste ein paar Artikel über die Gefahren des Alkoholkonsums vorlesen, wird dir aufzeigen, was du deinem Körper mit den Giften der Spirituosenlobby antust, wird über Reinheit und Kontrolle sprechen, über Wirkung und Masse, will dabei diversitiv und aufgeklärt klingen, von Sinneswandeln und kontrolliertem Bewusstseinserweiterungen reden, bringt vielleicht noch sein abgebrochenes Psychologiestudium oder naturwissenschaftliche Ansätze über die Glückssehnsucht der Menschen ein und hat mindestens 3 Beispiele von guten Freunden, die sich an Gras und Alkohol verloren haben, während das Erfolgsvorbild aus eigenen oder zumindest bekannten Reihen dem weißen Shice oder der kleinen blauen sein High Five gibt. Deine Überzeugungen sind geblendet, seine die Alternative einer freien Gesellschaft, dein Zögern ein Zeichen von Intoleranz und am Ende jeder Glaubensfrage machen wir dann getrennt voneinander das, was der Andere für falsch oder feige hält. So nimmst du den Fakten die Wirkung und der Diskussion ihre Lösung, so machst du legitim, was nicht mal in den Raum gehört. Dass bringt das MDMA, das du schnell noch im Treppenhaus einwirfst auf ein genau so generisches Level, wie die Saftkur von letzter Woche.

Als ich vor ein paar Wochen mit ein paar guten Freunden essen war, stellte einer von uns irgendwann fest: „Krass. Sechs Leute in ihren Zwanzigern, aus der Großstadt, keiner von uns nimmt Drogen. Auch unnormal. Vor allem in unserer Branche.“ „Nicht nur in unserer Branche“

Es war so eine Sache, auf die man dann ironisch anstößt. über die man lacht, die man nicht ernst nimmt, aber eigentlich viel zu ernst meint.
Und jetzt sitze ich hier. Knapp 10 Leute in ihren Zwanzigern, die meisten aus der Großstadt. Nur Eine von uns nimmt keine Drogen. Und genau das ist unnormal.

Das Verrückte ist, das jeder hier im Raum glaubt er wäre etwas ganze Besonderes, besonders speziell, besonders frei, besonders laut. besonders echt, unterstrichen und zur treffenden Pointe gemacht, von Amphetamin und Attitude. Tatsächlich sind alle generisch, gleich eingestellt, eingeholt und festgelegt auf die nächsten 21 Minuten, in denen alles möglich wäre.

Jemand sein können, mithalten können, mitfreuen können, feiern können, weitermachen können, hängen bleiben, meistens bis 08:00 Uhr, bis nur noch die wach sind, die vermeintlich wie du selbst sind, sich so unbewusst vertraut anfühlen, das gleiche wollen, das Gleiche schmeißen, das Neue besorgen. Niemand hier hat was zu verlieren, sie können alle nur gewinnen, für einen Moment zwar nicht echt, aber wenigstens sichtbar, greifbar, irgendwas sein. Alle. Außer dir.

Ich könnte gehen. Mir könnte das hier egal sein. Aber du bist es nicht, warst es nie. Ich weiß nicht warum ich bleibe, ob ich wirklich daran glaube, dass meine Anwesenheit, an diesem Tisch, in einer nächsten Nacht oder in deinem Whats-App-Verlauf  irgendeine Stabilität bedeuten könnte, retten kann ich dich nicht, aber vielleicht wenigstens nur straucheln und nicht fallen lassen. Wenn du mit mir gehst, gehst du vielleicht nicht viel zu weit.

Ich weiß genau was ich da tue, Ich weiß genau wie sinnlos es ist. Als könnte das bisschen echter Sex, echte Nähe, das bisschen Verbindung was wir vielleicht haben –  gegen das chemische Kicken gewinnen, das du Lebendigsein nennst. Als könnte ich dich mit Realität wecken, während du ihr nur entfliehen willst. Ich weiß längst, worum es geht. Nicht um die kleine Euphorie am zweiten Samstag, sondern um das Ticken im Ohr, das Kribbeln im Blut, die Mischung der Pillen Pulver und Gefühle, in denen du dich irgendwann unendlich leicht und erleichternd auflöst, bis du dir selbst entkommen kannst.

Du hast Gefühle geballert, bis keine mehr da waren. Und dann hast du geballert, um überhaupt noch was zu fühlen, um nicht spüren zu müssen, wie stumpf du längst geworden bist, wie taub du bist, wenns nicht bebt, wenns nicht flimmert.

Glück ist, wenns kickt. Was nicht fliegt ist nicht gut genug, nicht intensiv genug, nichts ist mehr schön genug, wird irgendwann nicht mehr fühlbar, unbemerkbar. Es erzählt dir vorher keiner der großen Beführworter, wie das ist, wenn die Endorphine aufgebraucht und alle Speicher, alle Funken selbstgemachtes Glück in deinem Körper leer sind, du dich nach echter Euphorie sehnst, aber nur noch die gekauften Möglichkeiten hast, sie zu erleben.  Du nicht mehr weiß was du fühlst, wann du fühlst, ob du fühlst oder nur reagierst. 

Oben oder unten, echt oder geschmissen, der Moment oder dein Leben, das Tief oder nur ein Down, nah an dir dran oder schon viel zu weit gezogen, dich noch suchen oder loslassen. Pläne machen, um sie in ein paar Tagen die Luft zu werfen, um irgendwas fliegen zu sehen, wenn du’s schon nicht mal mehr bist. Wenn Destruktion wie Durchatmen, wie Auftauchen, tief Luftholen und dann entfesselt losrennen ist.

Denn ja. Ich kenne das. Ich bin nicht so viel besser. Ich weiß wie sich das anfühlt.
Du tust es mit den Drogen. Ich tat es mit Beziehungen. Ich tue es mit dir.

Du willst so unbedingt allem entfliehen, das dich schwer machen könnte,
dass du währenddessen dich selbst verpasst.
Auch alles das loslässt, was dich eigentlich ausmacht, ausmalt, einzigartig hinterlässt.

 

Nein Danke.
Aber ja, es hört sich wie ein Bitte, bitte an.

anything to say?

Comments

  • Lina, ich finde es unglaublich gut von dir, dieses Thema aus genau dieser Perspektive anzusprechen! Habe ich selbst, wenn auch in abgeschwächter Form, immer mal wieder erlebt.

  • Mir wurde diese Frage auch schon oft gestellt. Warum nimmst du keine Drogen? Es ist eigentlich so absurd. Ich finde auch, obwohl es so viele tun, wird so wenig darüber gesprochen, dass man fast wieder meinen könnte, es tut doch keiner. Dabei sind harte Drogen meiner Ansicht nach längst völlig normal in unserer Gesellschaft. Nachvollziehbar – ja, aber verständlich? Auf keinen Fall.

  • Liebe Lina!

    Ich möchte so gerne und so unbedingt einen Kommentar hier lassen. Ich möchte unbedingt Worte finden um auszudrücken wie unglaublich ich deine Texte, so auch wieder diesen, finde! Und doch sitze ich seit Minuten hier und all die Sätze die ich forme, bringen nicht mal ansatzweise zum Ausdruck, wie heftig überwältigt ich von deiner Art zu schreiben bin!!

    Ich bin zwar noch nie gefragt wurden warum ich denn keine Drogen nehme (Koks etc) aber wurde und werde tatsächlich immer mal wieder gefragt: „Ach du rauchst immer noch nicht?!“ (ok zählt ja irgendwie auch zu Drogen). Und jedesmal antworte ich: „Nein. Ich rauche IMMER NOCH NICHT!“ und mit jedem Mal frage ich mich warum es sich so seltsam anfühlt! Warum bin ich denn hier die Sonderbare nur, weil ich IMMER NOCH NICHT rauche?! Warum sollte sich das denn noch ändern? Ich bin inzwischen 26 und bezweifle, dass ich meine Meinung zum Thema Rauchen/ Drogen etc noch mal ändern werde.

    Und so heißt es auch beim nächsten mal wieder „nein. Ich rauche NOCH IMMER NICHT“

    Schöne Woche wünsche ich dir und ich freue mich schon ungemein auf deinen nächsten Text <3

  • Traurig, aber wahr. Ich habe mit deiner Kolumne gemerkt, wie sehr viele die Augen vor diesem Thema verschließen. Ich selbst auch. Man hört öfter, dass Drogen im Spiel sind und „wundert“ sich dann, obwohl es nichts Ungewöhnliches mehr ist. Vor allem in Zeiten des hohen Drucks. Früher war es vielleicht der Job, der einen dazu verleitete. Heute ist es gefühlt Social Media und das Streben nach diesem Leben im Glanz.
    Für mich unvorstellbar. Ich hatte schon immer eine strickte Ansicht was Drogen angeht. Und zumeist werde ich dafür nur belächelt. Ich frage mich wohin das alles noch dühren wird..
    Danke für diesen Beitrag.

  • Danke für deinen Text.

    Wie alltäglich Drogen unter jungen hippen Großstädtern sind ist mir auch schon aufgefallen. Wie aus einer düsteren Zukunftsvision, wo alle Gefühle nur noch synthetisch sind. In der Kreativbranche trifft man fast keine einzige Person, die nicht stolz auf ihren Afternoonkoks ist, jeder putscht sich schnell mal für eine Prüfung auf, schmeißt vor dem Club etwas rein, reicht im Park ganz selbstverständlich den Joint rum. Auch diese Darstellung in Filmen, wo Aufputschmittel zu einer guten Party einfach dazugehören, trägt dazu bei, dass es in manchen Kreisen als exotisch gilt, sich bewusst dagegen zu entscheiden. Auch ich bin schon mehrmals wie von dir beschrieben in die Verlegenheit gekommen, mich erklären zu müssen, warum ich denn eine höchst schädliche, abhängigmachende und illegale Substanz nicht nehmen will. Obwohl es doch alle anderen tun und es ja soo cool ist. Wenn man zurückfragt, kommt genau wie du sagst dieser Mist von transzendenten Erfahrungen, der Unschädlichkeit der „bewussten Experience“ etc. Die meisten können wahrscheinlich einfach nicht mehr richtig loslassen ohne ihren Stoff, die wissen gar nicht mehr wirklich, wer sie sind und wie sich ihre Freude anfühlt. Genau das gleiche mit legalem Alkohol- warum muss man eigentlich bei jedem geselligen Abend flaschenweise Rotwein kippen? Ohne Flasche/Person zu verklemmt, nicht lustig genug, wo früher meine Leber war ist jetzt eine Minibar? Und wenn man ablehnt, ist man sofort Alkoholiker oder schwanger oder Spaßbremse. Ich fühle mich entgegen meiner sehr aufgeschlossenen und feierfreudigen Art wie eine Mitarbeiterin der BZgA und habe auch tatsächlich schon wegen mir penetrant angebotener Drogen eine Beziehung beendet und einen ganzen Freundeskreis verlassen. Weil es mir zuwider war, mich permanent wie eine verklemmte Langweiligerin zu fühlen und nicht zu der kollektiven Schizophrenie dazuzugehören. Morgens green smoothie und herabschauender Hund, abends ne line durch die Nase ziehen. Absurd, wo alle doch so glücklich sind und so viel self care betreiben und der Job und die Kinder so erfüllend sind.

    • In meiner letzten Diskussion wurde ich gebeten gerade psycheledische Drogen als öffnende Tür zu sehen, nicht mit Koks zu vergleichen oder auf eine Ebene zu bringen, sie als eine Erweiterung des eigenen Geistes und bewusstes Glücksexperience zu verstehen. Nun, irgendwie so ein bisschen wie Narnia für Erwachsene, entgegnete ich, nur das die wenigsten zurückfinden und als Hüllen, die dann ab und zu mit synthetischer Freude gefüllt werden, neben mir hängen.

      Dass ich mir so eine Diskussion nicht herausnehmen könnte, weil ich Alkohol trinke, ist dann meistens der Twist, an dem ich raus bin. So als könnte man nur unfehlbar Kritik an der Destruktion einer Generation üb en, die sich auf hunderte Arten betäubt. (Aber das ist eine andere Geschichte..)
      Manchmal mache ich mir noch die Mühe zu erklären, dass ich keinen Rotwein aus dem tetrapack kippe und dann auf seine Wirkung warte, dass ich zwischen Genuss und Reaktion unterscheide, dass ich nicht nicht einfach kippe und darum mein Gemüt verändere. Aber ja, diese Diskussion kannst du nur verlieren. Drogen sind keine faktische Geschichte, sondern eine Überzegung, ein Gefühl, ein Hang, irgendwann eine Sucht, die nichts mehr mit mentaler Kontrolle, sondern nur noch mit generischen, körperlichen Reaktionen zu tun hat.

    • „…psycheledische Drogen als öffnende Tür zu sehen, nicht mit Koks zu vergleichen oder auf eine Ebene zu bringen, sie als eine Erweiterung des eigenen Geistes und bewusstes Glücksexperience…“

      Ich glaube, die haben alle das selbe Youtubevideo gesehen, fast genau diese Worte habe ich auch schon gehört. Würde solchen Leuten gerne „Die dunkle Seite des Mondes“ empfehlen. Oder einen Nachmittag als Besucher in der Psychiatrie, wo Leute seit Jahren sitzen, weil sie auch nur mal ihr Bewusstsein erweitern wollten. Dass ein Trip auf LSD nicht vergleichbar ist mit zwei Cocktails, und auch nicht mit fünf Cocktails und Shots, sollte doch jedem vernunftsbegabten und minimal informierten Menschen klar sein. Aber allein um die gesundheitlichen Risiken geht es gar nicht, die muss halt jeder für sich selbst abwägen. Sondern darum, wie stumpf man gegenüber Empfindungen wird, und wie diese Abhängigkeit das ganze Leben einfärbt und kontrolliert, dass man nicht mehr man selbst ist, sondern jemand anderes oder eine andere Version von sich, dass alle Gefühle nur noch auf der chemischen Basis von Stoff x mit Stoff y passieren. Das ist einfach nur tragisch, es tut mir so leid, dass das für manche anscheinend die einzige Art ist, positiv zu empfinden oder sich selbst zu ertragen. Aber Diskussionen mit „Betroffenen“ bringen wenig bis nichts und irgendwo bin ich mir auch zu schade, die einzige Erwachsene auf einem Kindergeburtstag zu sein. Und was weiß ich schon, hab ja auch gerade ein Glas Weißwein in der Hand 😀

  • Feel you. Bloß findest du die besseren Worte.
    Seit ich in dieser Stadt wohne, die mich in so vielen Dingen bereichert und begeistert, komme ich jedoch mit der Selbstverständlichkeit und Verbreitung der Drogen nicht klar.
    Die Frage: ‚Warum nimmst du Drogen?‘ soll und muss sich normaler anfühlen, als die, warum nicht. Immer.

  • Fantastischer Text, Lina. Danke dafür.

    Mein jetziger Freundes- und Bekanntenkreis ist erstaunlich drogenfrei, abgesehen von Alkohol und gelegentlichen Joints. Aber ich habe auch Erfahrungen gemacht wie Du. Ein fröhliches „Will noch jemand mitkoksen?“ auf der WG-Party… Ketamin vor der Disko… Und fast immer muss man sich rechtfertigen.

  • Genialer Text! <3
    Habe es als Jugendliche mit 14 schon angeboten bekommen und schon damals immer abgelehnt.
    “Warum nicht?“ war auch da die erste Frage, aber ich wusste schon früh das es für mich einfach falsch ist. Da brauche ich auch einfach keine Begründung, manchmal reicht das. Gefühle sind für mich auch nüchtern schon sehr tiefgreifend, ich brauche nicht auch noch einen Kontrollverlust durch Chemie im Hirn.

  • Jedesmal, wenn die neue NEON erscheint, stehe ich am Kiosk, sehe die Titelstory und denke mir: lebt ihr mein Leben? Erlebt ihr meine Momente? Wie könnt ihr immer genau die Themen ansprechen, die mich gerade beschäftigen. Es tut so gut, sich in den Gedanken anderer wieder zu erkennen und mittlerweile, liebe Lina, geht es mir bei dir haargenau so. Jedesmal, wenn du einen neuen Artikel veröffentlichst, eine neue Sequenz deines Lebens mit uns teilst, finde ich mich in deinen Worten wieder. Wahrscheinlich macht genau das einen guten Blogger/Auto aus, dass er es schafft durch explizite Situationen und daraus resultierende allgemein aufgeworfene und teils beantwortete Fragen eine breite Masse anzusprechen und Gedankengänge zu teilen, die so alltäglich und dennoch oder gerade deswegen für viele so schwer zu reflektieren und in Worte zu fassen sind.
    Ich danke dir dafür, dass man in deinen Texten immer ein kleines Stück von sich selbst findet. Sich selbst verstehen und verstanden fühlen ist so so wertvoll.

  • Ach Gott, Lina! Wie unglaublich bravourös du es meistert Gedanken in Worte zu fassen.
    Du bringt es, wieder einmal, einfach auf den Punkt. Ich bin leider schon viel zu früh in solche Diskussionen verwickelt gewesen.
    Damals, als ich gerade einmal 14 (!!) Jahre als war, ging es („nur“) um Gras. So wie andere Leute in meinem Alter darüber diskutieren mussten, welcher Panini-Sticker es wert war, ihn zu tauschen, musste ich mich rechtfertigen, warum ich denn nicht mal am Joint ziehen möchte. Völlig surreal. Anfangs dachte ich noch, es läge an meinem Umfeld, wobei ich auf ein wirklich anspruchsvolles Gymnasium gegangen bin und man sich (Vorurteile hallo!) doch immer denkt, sowas gebe es nur in Bahnhofsvierteln. Aber ich spreche hier von einem Teil meiner damaligen Klasse. Ich habe mich dann zurückgezogen, versucht, diesem ganzen Konsum, mit dem ich, gerade in dem Alter, einfach nichts am Hut hatte, zu entfliehen. Doch etwa zwei Jahre später musste ich dann feststellen, dass ich die einzige meiner Klasse war, die Gras noch nie ausprobiert hatten und dies für mich auch keine Überlegung wert wäre. Ich, die, die zu den ersten gehörte, die sich für Jungs interessierte oder auch gern mal feiern ging, war plötzlich alleine umgeben von Menschen, die in einem so frühen Alter regelmäßig Gras konsumierten. Das gehörte einfach dazu. Man überlegte nicht zwei Mal. Vor der Schule, nach der Schule, manchmal während der Schule, wenn am Vorabend Brownies gebacken wurden.
    Und heute? Heute bin ich immer noch eine der wenigen, die noch nie Gras konsumiert hat. Aber nicht in einer Gruppe von Leuten, die bei jeder Gelegenheit „was rauchen“, sondern die für jede Gelegenheit die passende Droge dabei haben. Immer ein kleiner Drogenkiosk, an dem man sich bedienen kann, als würde man gerade Brötchen für’s Frühstück kaufen.
    Diskussionen zwecklos. Es wäre gar nicht so schlimm. Das liegt alles nur am verzerrten Bild, das uns möchtegern schlaue Menschen eintrichtern. Die Kinder vom Bahnhof Zoo – eine völlig übertriebene Geschichte fernab der Realität. Nur leider merken die meisten nicht, dass sie immer mehr Teil eben dieser Geschichte werden. Von außen hat man da noch einmal eine andere Sicht auf diese Veränderung.

  • Danke für deine treffenden Worte. Auch wenn in meinem Freundeskreis alles, was über Gras hinausgeht, kaum ein Thema ist und Koks in meinem Sphären irgendwie kaum ein Ding ist, bin ich immer wieder schockiert, wie der Konsum von Pilzen, MDMA und Speed normalisiert und gehypt wird. Nachdem mein gleichaltriger Cousin durch Drogenkonsum mental völlig abgebaut hat und mit Anfang zwanzig wahrscheinlich einige Fähigkeiten unwiederbringlich verloren hat, zeigte sich für mich leider noch einmal mehr, dass das ganze eben keineswegs wie ein „Yoga-Retreat“ oder eine „Detox-Kur“ ist und deine Schlusssätze sind dadurch für mich umso treffender.

  • Es ist schrecklich wie normal der Drogenkonsum geworden ist und ich finde es gut und wichtig, dass diese Themen immer wieder angesprochen werden. An die Leute der Gruppe, die einfach mitmachen, die am Anfang noch selbstbewusst denken es hätte keine Konsequenzen, dann daran hängen bleiben, daran kaputt gehen. An die denkt am Ende keiner mehr. Nur die, die am Ende erfolgreich von ihren Chefsesseln winken, die sind die die zählen. Sie lachen über vergangene Zeiten, „das hat doch jeder gemacht“, oder machen es auch jetzt noch. Natürlich kann genau das auch mit Alkohol oder auch Gras passieren, wobei ich da keine Erfahrungen habe, aber Koks etc sind einfach eine andere Dimension. Es ist schade, dass man sogar teilweise uncool ist, wenn man nicht mitmacht.

  • Liebe Lina,

    ich komme immer nur ab und an dazu deine Texte zu lesen…Das ist bisher mein Allerliebster. In meinem Leben habe ich meine erste große und unschuldige Liebe an die Drogen verloren. Nicht in dem Sinne, aber ich hab ihn nicht für die Realität begeistern können und habe mich davon befreit. Ich denke manchmal, dass ich es niemals loslassen kann, aber ich habe immer gehofft, dass meine Gefühle und mein Rückhalt zum Umdenken bewegen könnten. Konnten Sie nicht. Werden Sie nie. Es tut weh und lässt nur schwer akzeptieren. Danke für das in Worte fassen.

  • Echt erschreckend, wie manche Drogen brauchen, um überhaupt Glücksgefühle empfinden zu können. Ich wurde auf einer Party auch mal gefragt, ob ich denn schon Drogen genommen hätte. Nein, war meine Antwort. Die beiden jungen Männer haben mich daraufhin ausgelacht. Und ich wusste, dass hier unsere Unterhaltung für immer beendet war. Idioten, habe ich mir gedacht. Ich habe es mit knapp 24 Jahren geschafft, noch nie Drogen zu nehmen oder auch nur an einer Zigarette zu ziehen. Sicher, ein paar Mal habe ich Shisha geraucht, aber es dann sein lassen. Ist mir zu ungesund und bringt mir gar nichts. Ich schäme mich dafür nicht, Koks & Co. nicht in mein Leben integriert zu haben. Das ist auch gut so.

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