SUNDAY COLUMN: NEUJAHRSVORSÄTZE

Ich stehe stolz in der Küche. Sauber. Nach knapp 3 Stunden. Ich habe sogar den Kühlschrank gereinigt, das Eisfach abgetaut, ich habe verschollene Vasen wiedergefunden und eine gute Flasche Rotwein. Letztere gönne ich mir gleich teilweise. Zum Abendessen.
Apropos Abendessen. Ich mache den Kühlschrank auf. Licht, eine angefangene Flasche Sekt und ein paar Gewürzgurken.
Gerade will ich zum iPhone greifen und die mir so vertraute Liefer-App öffnen, als ich unangenehm an ihn erinnert werde. An meinen aktuellen Stolperstein in Sachen Burgerbestellung. Nicht den Kontostand. Den Neujahrsvorsatz. „Weniger Essen bestellen, dafür endlich mehr und vor allem gesund kochen.“ Ich lasse das Handy sinken und rolle mit den Augen. Das ist der Grund, weshalb ich mir Dinge wie „vor dem Frühstück joggen gehen“ oder „nicht mehr bei Zara einkaufen“, gar nicht vornehme. Man wird ja nur enttäuscht, meistens binnen Tagen. Und trotzdem stehe ich jetzt da und schwanke zwischen den Fakten hin und her. Eigentlich ist da dieser persönliche Beschluss, der gerade 3 Tage alt ist. Auf der anderen Seite ist die Küche gerade mal sauber und ich habe schlicht Lust auf Brot und Rindfleisch. Es folgt eine halbe Stunde hadern, twittern und googeln. Nach einfachen Rezepten. Irgendwas, das wie ein Burger schmeckt, aber kein Burger ist, das in weniger als 10 Minuten zubereitet ist und maximal einen Topf beansprucht.
Und so kommt es, dass ich missmutig die Einkaufstasche schultere, zum Supermarkt laufe, den strömenden Regen ignoriere und an der Kasse Hühnchen, Nudeln, Parmesan und Brokkoli bezahle. Nun gut.

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20 Minuten später bin ich euphorisch, als ich mit dem Messer und dem Brokkoli hantiere. „HA! Tschüß schlechte Angewohnheit, Hallo New York!“ Das ist übrigens der Anreiz hinter meinem Vorsatz. All das, was ich durch das verminderte Bestellen von meinem Essen einspare, fließt in meinen geplanten Urlaub. Coney Island statt Pizzaworld!

Ich bin beim letzten Stück Brokkoli, als ich abrutschte. Ratsch! Direkt in den Zeige– und auch noch in den Mittelfinger. Blut spritzt, tropft auf den Küchenfußboden, ich bin allein. Pflaster hab ich auch keine, nur ein Zopfgummi und ein saugfähiges Küchentuch, mit dem ich die Wunde nach 5 Minuten unter dem Wasserhahn notdürftig verbinde. Immerhin waren die 4 Staffel Greys Anatomie, die ich mir vor ein paar Jahren angesehen habe, nicht komplett umsonst.
Ich fühle mich wie Amy Dunne, als ich das Blut von den Fliesen notdürftig mit einem Lappen aufwische. Nur, dass ich für meine aktuelle Situation nicht einmal großartig Verwendung hätte. Wer Gone Girl gesehen hat, weiß wovon ich spreche.
Erschöpft sinke ich an den Kühlschrank, auf dem Herd brutzelt es. Wahrscheinlich brennt irgendwas an. Auch egal.
7,90€ kostet der Double-Cheeseburger mit Bacon. Für 2€ mehr bekommt man sogar Pommes geliefert. Geliefert. Auf meiner Rechnung stehen bereits 14,90€ aus dem Supermarkt, dazu kommen gleich 5€ für Pflaster, zwei temporär unbrauchbare Finger und eine Küche, die wieder so aussieht, wie ich sie vor 4 Stunden betreten habe. Macht unterm Strich -7€ in der New York Kasse und verstrichene Lebenszeit, die ich auch mit einem guten Film hätte verbringen können. Großartig.
Immerhin kann es nicht mehr schlimmer werden, denke ich. Und dann fällt mir auf, dass ich eine Weinflasche wohl kaum einhändig öffnen kann.

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Comments

  • Oh was für ein süßer Post, ich konnte mir irgendwie alles bildlich vorstellen. Das mit dem weniger Essen bestellen sollte ich auch mal beherzigen aber gerade Sonntags mit leerem Kühlschrank überkommt es mich jedes Mal wieder…

    Schönen Sonntag xx

  • Das ist zwar gemein, aber beim letzten Satz musste ich jetzt echt grinsen. Du Armes! Komm schnell wieder auf die Beine und nimm beim nächsten Mal ein kleineres Messer 🙂

  • Gute Besserung liebe Lina, ich hoffe Du hast einen lieben Nachbarn, der die Weinflasche für Dich öffnet (und evtl. auch ein Glas mit Dir zusammen trinkt). Lieber Gruss, Miriam

  • Oh man, du Arme! Ich bin auch ein Tollpatsch und das mit den Fingern kenn ich nur zu gut. Nimm das mit den Vorsätzen nicht so schwer, immerhin fängt das Jahr genau genommen erst ab Montag an und das chinesische Neujahr erst im Februar 😉

    Liebste Grüße

    Elena

  • Ahhh diese ewige Grübelei mit dem Lieferdienst kenne ich nur all zu gut, aber am Sonntag krieg ich halt nur ne Tiefkühlpizza vom Späti und der Supermarkt hat nicht geöffnet. Da bestelle ich denn gerne mal Sushi, wer will sich schon die Küche mit Klebereis und Algenblättern voll schmieren 🙂

  • Genauso wie die anderen, musste ich ein wenig schmunzeln. Weil ich dabei an mich selber dachte. An die Momente die einem so schrecklich vorkommen, so ausweglos, die aber auch wieder vergehen.
    Oh und die Neujahrsvorsätzte. Eigentlich will ich keine. Aber ich habe doch welche. Sogar aufgeschrieben, in der Hoffnung ich halte sie wenigstens dann ein. Ich werde sehen.
    Und das mit dem bestellen. Da habe ich zum Glück kein Problem mit. Das stehts gesenkte Konto erlaubt es mir nicht. Außerdem bin ich jedes Mal wieder stolz wenn ich was leckeres gekocht habe. Das finde ich dann doch besser. Nur manchmal, ganz selten, da wird doch was bestellt 🙂

  • Oh man. Mir würde es absolut nicht anders gehen, denn kochen kann ich absolut nicht und rohes Fleisch anpacken mag ich noch weniger.
    Und wenn dann die küche gerade frisch geputzt ist, dann sinkt die Motivation glatt auf 0 :(.

  • Sehr geil geschrieben, super!! Ich wollte deinen Sonntagspost schon den ganzen Tag lesen, der Link über FB wollte aber nicht und jetzt beim Twitter durchschauen habe ich es dann endlich geschafft! Gute Besserung für deine Finger und vllt sind Jamies 15 Minuten Menüs ja etwas für deinen Neujahrsvorsatz. Liebe Grüße!

  • Genau Posts wie diese liebe ich so an dir. Sie sind gefuellt mit Talent, Witz, Bildsprache, Weiblichkeit, Lesefluss und Alltagswahrheiten. Hat Spa§ gemacht zu lesen!
    Alles Liebe Josie

    • Ich hab die Frage schon vermutet 😉 😀
      Es war mir jetzt zu doof den ganzen Kassenbon inklusive Schmand, Öl, Knoblauch, Petersilie und Zwiebeln aufzuschreiben.

  • Lina! Dieser Post ist absolut göttlich! Vielen Dank dafür! Ich musste schmunzeln und zum Schluss echt lachen. Du hast dem Nagel auf den Kopf getroffen! So viel zu Neujahrsvorsätzen.
    Noch mal DANKE dafür! 😀

  • Ach herrje, das hört sich ja niedlich an ^^
    Zum Glück kann ich mittlerweile relativ gut kochen, wobei ich mir auch für das neue Jahr gesunderes Kochen vorgenommen habe. Weniger Sahne und Konsorten. Mal sehen, ob ich das schaffe, denn mit einem Schuss Sahne schmeckt es oftmals einfach besser, oder? 😀

    Deinen Fingern alles Gute. Ich hoffe, ich schaffe meinen Vorsatz mit dem regelmäßigen Sport umzusetzen. Mein Rücken würde es mir danken, wenn da nur nicht dieser enorm riesige Typ von Schweinehund wäre Oo

  • Denk mal daran, wie unglaublich die Burger in New York sind… obwohl – bei so einem Argument hätte ich nur mehr Hunger auf Burger.
    Kenne das Dilemma und den Vorsatz. Ich koche größere Portionen und frieren was ein – dann ist in so einer Notlage immer was da! #desperatehousewifesbeingdesperate

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